„Mit Arbeit anderen helfen“
Praktikum in der Forensik: Die 20-jährige Louisa Schröder arbeitet mit suchtkranken Straftätern der LWL-Maßregelvollzugsklinik Schloss Haldem an Holzprodukten für den Brockumer Markt
In der Luft liegt der Geruch von frisch geschnittenem, warmen Holz, Leim und Farbe. Feiner Holzstaub hat sich hauchzart auf Maschinen, Werkzeuge und eingelagerten Materialien gelegt. Gedrückte Popmusik schallt aus einem Radio, unterbrochen durch das hohe Kreischen der Kreissäge. Normalerweise ist die Holzwerkstatt der LWL-Maßregelvollzugsklinik Schloss Haldem eine reine Männerdomäne. 14 männliche Patienten arbeiten hier unter der Anleitung der Arbeits-therapeuten Holger Reitmeyer und Ingo Jacob. Doch seit sieben Wochen bringt Louisa Schröder frischen Wind und weiblichen Charme in die kli-nikeigene Holzwerkstatt.
Die 20-Jährige aus dem nahegelegenen niedersächsischen Bohmte absolviert dort den ersten Praxisabschnitt ihrer Ausbildung zur Ergotherapeutin. Aus reiner Neugier hat sie sich für den Maßregelvollzug entschieden. „Eigentlich wollte ich mit Kindern arbeiten, aber die Arbeit in einer Forensischen Klinik hat mich sehr gereizt. Auch, weil ich anfangs überhaupt keine Vorstellungen davon hatte, wenig bis gar nichts darüber wusste“, sagt sie.
Dass sie Seite an Seite neben suchtkranken Straftätern arbeitet, spiele für sie keine große Rolle. „Über die Taten sprechen wir hier so gut wie nicht. Der Focus liegt auf den Arbeiten, die hier anfal-len. Natürlich darf man es nicht völlig ausblenden, aber nein, Angst habe ich nicht“, erzählt sie, während sie zusammen mit dem 49-jährigem Walter Hase (*Name von der Redaktion geändert) kleine Sternchen für dekorative Holzlaternen aussägt. Ein neues Produkt, das mit vielen anderen Ende Oktober im Verkaufsstand auf dem Brockumer Markt zu kaufen sein wird.
„Ich stelle mir vor, wie diese Laterne demnächst in der Vorweihnachtszeit bei einer Familie im Fenster steht. Und das macht einfach ein gutes Gefühl“, erzählt Walter Hase. Der Patient arbeitet seit Januar 2018 in der Holzwerkstatt der Klinik. Morgens um kurz vor acht ist er immer einer der Ersten. „Ich schaffe etwas mit meinen Händen, sehe wie etwas entsteht. Die Arbeit hier gibt Struktur und Halt, aber auch Wertschätzung.
Das ist wichtig, gerade in der Zeit, in der man hier untergebracht ist, damit man nicht der Lethargie verfällt. Er ist stolz darauf, in diesem Jahr in der Therapie so weit vorwärtsgekommen zu sein, dass er durch seinen Lockerungsstatus mittlerweile die Klinik für ein paar Stunden verlassen darf. „Auch die Arbeit hatte darauf großen Einfluss. Mein Ziel war es schon letztes Jahr diesmal beim Aufbau des Verkaufsstands mitzuhelfen. Das bedeutet mir sehr viel.“
Ein zentraler Punkt in der Ergotherapie – ist neben der Arbeitsrehabilitation und beruflichen Qualifikation – die Förderung von Motivation und Kreativität, weiß Ingo Jacob. „Wir haben hier die Zeit mit den Patienten etwas zu verändern. Mit ein wenig Hilfestellung können sie hier an sich wachsen“, sagt der Tischlermeister und Arbeitspädagoge. Durch die Vernetzung der verschiedenen The-rapiebereiche in der Klinik können die Patienten in ihrer Entwicklung individuell unterstützt werden. Der Behandlungsverlauf wird regelmäßig dokumentiert und auch bei der stufenweisen Vollzugslo-ckerung berücksichtigt.
Gerade das findet auch Louisa Schröder so interessant an der Arbeit im Maßregelvollzug. Mit der Arbeit anderen helfen, den richtigen Weg im Leben (wieder) zu finden. Ohne Alkohol, ohne Drogen, ohne Straftaten. „Das Praktikum hier hat mir wahnsinnig viel gebracht. Vor allem auch menschlich. Ich kann mir gut vorstellen, nach meiner Ausbildung im Maßregelvollzug zu arbeiten.“